Uns fehlt eine ehrliche Debatte über Ausgleiche
Ausgleiche kann es nur für Menschen mit Diagnosen geben? Das ist eine falsche Auffassung
Es ist höchste Zeit, dass wir mit einigen Falschauffassungen zu Ausgleichen in der Schule und am Arbeitsplatz aufräumen. Jeder braucht von Zeit zu Zeit Ausgleiche.
Jeder Mensch ist einzigartig. Und jeder hat verschiedene Bedürfnisse und Herausforderungen.
In meiner fast 18-jährigen Laufbahn als Lehrkraft habe ich noch nie 2 Schüler in meinem Klassenraum angetroffen, die exakt gleich waren.
Dabei ist es völlig unerheblich, ob meine Schüler neurodivers waren, oder nicht. Viele Strukturen und Rahmenbedingungen in unserer Gesellschaft sind unter der Annahme entstanden, dass alle irgendwie gleich sind. Wir nehmen an, dass es das ideal eines normalen Schülers oder Angestellten gibt. Und dass wir eine Umgebung schaffen können in der wir alle Hereinpassen. Und dass alle Menschen sich in diesen Umgebungen gleichsam wohlfühlen.
Aber nichts ist weiter von der Wahrheit entfernt. Am bestenwird dies Illustriert durch den untenstehenden Ted-Talk von Cole Blakeway. Zum Zeitpunkt der Aufnahme war er 10 Jahre alt.
Wir nehmen fälschlicherweise auch an, dass Menschen, welche Anpassungen oder Ausgleiche benötigen nicht “normal” sind. Zum Beispiel wird Neurodiversität oft als Behinderung dargestellt.
Neurodiversität ist nicht immer eine Einschränkung
Dies ist in meinen Augen eine Falschauffassung mit weitreichenden Konsequenzen. Die Prämisse ist, dass das Gehirn nur eingeschränkt funktioniert. Aber das setzt im Gegenzug vorraus, dass es ein perfekt funktionierendes Gehirn gibt. Wenn das so ist, bin ich noch keinem Menschen mit diesem Gehirn begegnet.
In Wahrheit funktioniert das Gehir bei Menschen mit Neuridiversität einfach anders. Und meine Erfahrung sagt mir, dass dies für alle Meneschen gilt, unabhängig von irgendwelchen Diagnosen.
Ja, es gibt in der Tat Anpassungen, welche man am Arbeitsplatz oder im Klassenraum vornehmen kann. Und viele neurodiverse Menschen reagieren auf diese Anpassungen positiv.
Aber nicht alle Anpassungen funktionieren für jedes Individuum. Stattdessen würde es uns viel weiter bringen, wenn wir anfangen einzelne Menschen als die autonomen Indivuduen, die sie sind anzuerkennen. Mit ihren einzelnen Bedürfnissen.
Wir alle brauchen Anpassungen
In den letzten Jahren habe ich eine Reise in meinem Leben vorgenommen, welche viele Umwälzungen für mich bereit hielt. Dadurch habe ich auch tiefe Einblicke über mich selbst erhalten, welche die Art und Weise, wie ich mit meinen Schülern und Kollegen umgehe, nachhaltig beeinflusst haben.
Eine wichtige Erkenntnis ist, dass ich viele Anpassungen benötige um meine Produktivität im Alltag aufrechtzuerhalten. Und ich bin nicht allein. Vielen meiner Freune und Bekannten geht es ähnlich.
Aber den meisten Menschen fällt es schwer sich dies einzugestehen. Ein Beispiel: Ich habe mitbekommen, dass es schwierig für mich ist für länger als eine halbe Stunde produktiv zu bleiben, ohne eine kurze Pause einzulegen. Nicht weil ich nicht länger arbeiten kann, aber weil häufig die QUALITÄT meiner Arbeit rapide abnimmt, wenn ich keine Pausen einlege.
Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass dies nicht auch für viele meiner Schüler gilt. Wann immer ich dies im Klassenraum ausprobiert habe zeigte sich, dass ich Recht habe. Wenn ich meine Schüler in kurzen Blöcken arbeiten lasse und kurze Pausen einlege, erhöht sich ihre Produktivität.
Kurioserweise galt dies oft neurotypischen Schülern. Vielleicht sind die 45-minütigen Intervalle im Schulbetrieb sinnvoller als gedacht?
Alle Ausgleiche, welche den Lerneffekt oder die Produktivät erhöhen sind legitim
Es ist also an der Zeit, dass wir das wir über Ausgleiche ein bisschen ehrlicher reden.
Nicht nur Menschen mit ADHS oder Autismus benötigen Ausgleiche im Alltag. Und wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, gestehen wir uns häufig Ausgleiche zu, ohne diese so zu nennen.
- Manche Menschen hören gerne Musik, wenn sie arbeiten
- Andere nehmen gerne Anpassungen an ihre Umgebung for, um besser arbeiten zu können. Wir lassen Rollos herunter, und schaffen uns zum Beispiel ergonomische Bürostühle an.
- Wieder andere brauchen externe Anstöße, um die Aufmerksamleit aufrechtzuerhalten. Sie reagieren gut auf Lob, geben sich Belohnungen, oder stellen Timer.
- Manche konzentrieren sich besser in Meeitings, wenn sie Zeichnungen auf Papier anfertigen.
- Und es gibt Menschen, die gerne in der Nähe der Lerhrkarft oder einer Führungspersönlichkeit sitzen, um das Geschehen besser verfolgen zu können.
Diese Liste ist nicht komplett. Ich glaube, jeder von uns kann be näherem Nachdenken mindestens 5 Anpassungen benennen, die wir Vornehmen, um unseren Alltag zu erleichtern. Und das ist vollkommen in Ordnung. Was auch immer uns weiter darin bringt unser Potenzial auszuschöpfen, ist legitim. Oder sollte es zumindest sein.
Inklusivität ist eigentlich nicht so schwer. Aber es fängt immer damit an, dass wir uns einzeln anerkennen.
Wenn sie mehr darüber erfahren möchten, wie sie ein inklusives Arbeitsfeld an ihrem Arbeitsplatz oder in ihrer Einrichtung schaffen können, buchen Sie noch heute einen meiner Vorträge oder Workshops.Ich bin ihnen herne dabei behilflich.