5 unverzichtbare Hilfsmittel für Schüler mit ADHS
Wenn man einen beliebigen Klassenraum an einer Schule besucht, wird man feststellen, dass mit grosser Wahrscheinlichkeit ein oder mehrere Schüler mit ADHS anwesend sind. Dies überrascht nicht, denn es wird angenommen, dass die Prävalenz von ADHS in Deutschland bei ca. 4,7% liegt. Ander ausgedrückt: Jede 20. Person hat diese Form der Neurodiversität.
Als ich vor etwa 20 Jahren zum Lehrer studiert habe, wurde ADHS primär als Krankheit betrachtet. Diese Ansicht ändert sich, wenn auch langsahm.
Menschen mit ADHS, unabhängig vom Alter sind nicht weniger intelligent oder fähig zu lernen, als neurotypische Menschen. Jedoch erfordert es oft einige Anpassungen in der Schule und am Arbeitsplatz, damit neurodiverse Menschen das beste aus sich herausholen können.
Schüler mit ADHS sind nicht die einzigen, die Anpassungen benötigen
Wenn wir mal ernst sind, haben die meisten von uns irgendwelche Bedürfnisse, die wir versuchen zu erfüllen um das beste aus uns herauszuholen. Wenn ich zum Beispiel am Bildschirm sitze um für dieses Blog zu schreiben, ist mein Arbeitsplatz immer auf eine bestimmte Weise arrangiert. Dies ist eine Anpassung, welche es mir ermöglicht so produktiv wie möglich zu arbeiten.
Bei meinen Schülern ist dies nicht anders. Der einzige Unterschied besteht darin, dass unterschiedliche Schüler unterschiedliche Anpassungen benötigen. Im Laufe der Zeit habe ich einige Hilfsmittel und Methoden gefunden, welche gut für Schüler mit ADHS funktionieren. Bevor wir aber die Liste abarbeiten, möchte ich darauf eingehen, welche Herausforderungen Schüler mit ADHS in Unterrichtssituationen haben.
Was sind die grössten Herausforderungen im Klassenraum von Schülern mit ADHS?
Aufmerksamkeitsregulierung
ADHS ist trotz ihres Namens weniger ein Aufmerksamkeitsdefizit, als eine Aufmerksamkeitsregulierungsstörung. Kinder mit ADHS können sehr wohl aufmerksam sein. Aber die Herausforderung liegt darin diese AUfmerksamkeit zu dirigieren und dorthin zu richten, wo sie benötigt wird.
Nehmen wir einmal ein Beispiel. In jeder Umgebung gibt es Umgebungsgeräusche. Also Töne oder visuelle Stimuli, die nichts mit dem zu tun haben, mit dem wir beschäftigt sind. Diese Stimuli sind einfach nur da. An meinem Laptop könnte das z.B. das Lüftergeräusch sein, der dafür sorgt, dass der PC nicht überhitzt. Vom Fenster her höre ich Naturgeräusche oder Autos, welche unten auf der Strasse entlangfahren.
Normalerweise ist unser Gehirn in der Lage diese Stimuli herauszufiltern. Diese Fähigkeit verbessert sich mit dem Alter, da sie stark abhängig von der Entwicklung der Frontallappen sind.
Schüler mit ADHS haben jedoch häufig Schwierigkeiten, diese Stimuli herauszufiltern. Sie bemerken diese Stimuli nicht nur, sondern sie können oftmals nicht den Impuls widerstehen auf diese Stimuli zu reagieren. Das ist keine Absicht, sondern eine Folge ihrer veränderten Gehirnstruktur.
Motivation
Eine weitere Herausforderung, mit der Schüler mit ADHS zu kämpfen haben, ist ihre Motivation aufrechtzuerhalten. Es fällt ihenen wesentlich schwerer sich in AKtivitäten zu engagieren, die sie als langweilig empfinden. Und ja, als Lehrer müssen wir ehrlich sein. Manchmal ist unser Unterricht langweilig und eintönig, auch wenn wir uns noch so viel Mühe geben.
Das Motivations- und Belohnungssystem des Gehirns wird von Dopamin, einem wichtigen Neurotransmitter angetrieben. Bei ADHS funktioniert diese Dopaminausschüttung oft nur mangelhaft. Das Problem ist jedoch, dass viele Lernprozesse nur längerfristig Dopamin ausschütten.
Wenn ich z.B. Gitarre spiele muss ich regelmässig üben Tonleitern auf dem Griffbrett zu spielen. Das ist wahnsinnig langweilig. Da wird wenig bis gar kein Dopamin ausgeschüttet. Aber langfristig hilft es mir dennoch ein besserer Gitarrist zu werden, da ich meine Flexibilität, Schnelligkeit und mein Gehör verbessere.
Social Media, Videospiele und ähnliche Aktivitäten sind darauf ausgelegt die Dopaminausschüttung anzuregen. Deswegen ist es auch für Kinder mit ADHS kein Problem stundenlang mit diesen Aktivitäten zu verbringen, was aber eben nicht immer nützlich ist.
Hyperaktivität
Nicht alle Schüler mit ADHS sind hyperaktiv. Wenn die Hyperaktivität nicht sehr ausgeprägt ist, spricht man oft von ADS. Dies ist übrigens häufig bei Mädchen der Fall, weshalb diese oft erst sehr spät diagnostiziert werden, da sie weniger Verhaltensauffällig sind.
Ist die Hyperaktivität jedoch sehr ausgeprägt, zeigt sie sich auf sehr unterschiedliche Weise. Zum Beispiel können diese Schüler nicht lange still sitzen, haben einen sehr ausgeprägten Bewegungsdrang oder nehmen sehr ungewöhnliche Sitzpositionen ein. In den Pausen haben sie scheinbar oft viel mehr Energie als ihre Mitschüler. Manchmal versuchen sie irgendwelche Strukturen zu erklimmen oder rennen unruhig hin und her, ohne anhalten zu können.
Gepaart mit den Herausforderungen in der Aufmerksamkeitsregulierung kann dies häufig dazu führen, dass sie sich mit anderen Schülern raufen. Zum Beispiel, weil sie ihren Mitschülern mit ihren ausgeprägten Bewegungen unabsichtlich wehtun und diese dadurch provoziert werden.
Impulsivität
Eine weitere Herausforderung für Schüler mit ADHS ist Impulsivität. Sie werden oft genau das sagen, wass ihnen gerade einfällt. Oder unmittelbar auf Bedürfnisse reagieren, die sich bei ihnen melden. Zum Beispiel kann ihnen plötzlich einfallen, dass irgendein Gegenstand in ihrer Tasche liegt, woraufhin sie anfangen werden diesen Gegenstand zu suchen. Selbst wenn dieser Gegenstand nichts mit der Aktivität zu tun hat, mit der sie eigentlich beschäftigt sind.
In sozialen Situationen kann es passieren, dass sie sich urpl¨tzlich vom Gespräch abwenden und etwas anderes tun. Dies ist etwas, womit wir alle zwischendurch kämpfen. Aber SChüler mit ADHS kämpfen mit diesen Herausforderungen den ganzen Tag lang.
Als Lehrkräfte gibt es jedoch eine Reihe von Hilfsmitteln, welche wir im Klassenraum einsetzen können, um diese Schüler besser zu unterstützen.
5 Hilfsmittel für Schüler mit ADHS
Einige dieser Hilfestellungen sind Gegenstände, während andere darauf abzielen die Lernumgebung anzupassen um das Leben für Schüler mit ADHS etwas leichter zu machen.
Timer
Timer sind ein fantastisches Werkzeug, nicht nur für Schüler mit ADHS.
Wenn wir einen Timer verwenden, signalisiert dies dem Gehirn dass eine Deadline bevorsteht, welches hilfreich dabei sein kann, die Motivation aufrecht zu erhalten.
Beim Schreiben wervende ich oft selbst die Pomodoro-Methode. Im Klassenraum habe ich festgestellt, dass viele meiner Schüler ebenfalls von dieser Methode profitieren. Mit Zeitgebern kann man auch eine Aktivität in kleinere Abschnitte unterteilen, welche überschaubarer wirken. Selbst an guten Tagen sind 45 Minuten volle Konzentration eine grosse Herausforderung für viele Kinder.
Man kann durchaus mit der Länge der Timer experimentieren. Eines der besten Werkzeuge ist der Time Timer, da diese Uhr die Restzeit in einer deutlichen, roten Farbe darstellt. Ich habe aber auch oft mit Erfolg Eieruhren verwendet. Viele digitale Geräte haben auch eingebauter Timerfunktionen.
Musik
Sehr häufig haben mir Schüler mitgeteilt, dass sie sich mit Musik oft besser auf ihre Einyelarbeit konzentrieren können. Ich habe auch bei mir selbst festgestellt, dass das gut funktioniert. Daher höre ich oft selbst Musik bei Arbeiten, welche ein hohes Maß an Produktivität und Fokus erfordern. Daher empfehle ich, gemeinsam mit den Kindern Wege zu finden dies möglich zu machen.
Dabei sollte man aber gewisse Rahmenbedingungen setzen. SUchen sie mit dem Kind passende Musik aus. und machen sie deutlich, dass die Musik nur gestattet ist, wenn sie Einzelarbeit machen. Eventuell kann es sich lohnen in ein paar gut Kopfhörer zu investieren. So kann das Kind Musik hören, ohne die anderen zu stören.
Lo-Fi beats und Klassische Musik funktioniert als Genre oft ganz gut.
Skills und Fidget Spielzeuge
Skills und Fidget Spielzeuge sind unentbehrlich. Insbesondere in Phasen, wo die Lehrperson lange Monologe an der Tafel hält. Leider sind viele der Ansicht, dass die Schüler noch unaufmerksamer sind, wenn sie z.B. Fidget Spinner verwenden. Aber gerade bei ADHS haben derartige Skills einen wichtigen Effekt.
Das Problem bei ADHS ist nämlich nicht wie der Name sagt ein Aufmerksamkeitsdefizit. Genauer gesagt dreht es sich um eine Auf,merksamkeitsregulierungsstörung. Das Gehirn weiß als nicht, worauf es die Aufmerksamkeit lenken soll. Leichte Skills helfen dabei, indem sie einen Teil der Aufmerksamkeit bündeln. Aber eben nur so viel, damit der “Aufmerksamkeitsüberschuß” auf das gelenkt werden kann, was wichtig ist.
Als ich noch zur Schule ging habe ich oft aus den Utensilien aus meiner Federmappe Flugzeuge gebaut. Und meist waren die Lehrer überrascht, wenn sie gehofft hatten mich in flagranti zu erwischen und mich zu fragen, was denn gerade gesagt wurde. Das ging für die Lehrer oft nach hinten los.
Dieses Video, welches leider nur auf Englisch ist, liefert eine recht gute Erläuterung zu dem Thema ab.
Die Schwierigkeit liegt darin, Skills zu finden welche sich gut für den Zweck eignen. Sie dürfen nicht zu laut sein. Und sie dürfen nicht zu viel Aufmerksamkeit bündeln. Gute Erfahrungen habe ich persönlich mit Fidget Spinnern und auch den klassichen Krakeleien auf Papier gemacht.
Äußere Stimuli reduzieren
In den meisten Klassenzimmern findet man sie. Zugepflasterte Wände mit Infos zu den verschiedensten Fächern und Lernthemen. Dazu noch verschiedesnte Nippes auf den Schreibtisch und der Fensterbank. Auch mein Klassenzimmer sah oft so aus.
In den letzten Jahren habe ich aber versucht diese Angewohnheit zu minimieren. Der Grund ist einfach. Es sind viel zu viele visuelle Eindrücke und Stimuli, welche auf die Kinder einschlagen. Egal wo man hinschaut, versucht irgendein Plakat oder eine Deko die AUfmerksamkeit zu erregen. Gerade bei Kindern mit ADHS ist das eine riesige Herausforderung im Alltag.
Stattdessen habe ich angefangen meine Lernposter und Karten zu verstauen und nur hervorzuholen, wenn diese wirklich benötigt werden.
Aber auch andere Äußere Einflüsse können die Lernfähigkeit einschränken. Deswegen ist meine Klassenzimmertür immer i m Unterricht geschlossen. Gerne decke ich auch die Fenster etwas ab, damit man nicht gleich jede Person sieht, welche zufällig draußen vorbeiläuft.
Auch mein Schreibtisch ist eher minimalistisch eingerichtet. (Meine Wohnung übrigens auch, aber das ist eine andere Geschichte)
Heißt das jetzt, dass man sein Arbeitszimmer gar nicht dekorieren sollte? Nein! Im nächsten Tipp zeige ich, wie man es machen kann. Wichtig ist aber dass man versucht sich klarzumachen, welche Dekorationen man anbringt und wie diese auf die Konzentrationsfähigkeit der SChüler einwirken können.
Natur ist Wundermedizin für ADHS
Einige Studien zeigen, dass der Aufenthalt in der Natur die Symptome von ADHS mindern können. Diese Thematik rechtfertigt wohl einen eigenen Artikel. Daher ist es aber naheliegend, dass es Sinnvoll sein kann die Natur in den Klassenraum oder ins Büro zu bringen. Selbst ein paar Zimmerpflanzen können einen großen Unterschied machen.
Ich habe dabei gemerkt, dass auch Wanddekorationen in form von Naturbildern eine beruhigende Wirkung auf meine Schüler haben können. Also sollten wir den Kindern mehr “Grünzeit” gönnen. Davon profitieren wahrscheinlich alle Schüler, nicht nur die mit ADHS Symptomen.
Zusammenfassung
Ich hoffe, dass ich mit diesem Artikel einige gut Anregungen zum Umgang mit ADHS in Klassenräumen oder anderen Arbeitsumgebungen geben konnte. Hier sind noch einmal die wichtigsten Hilfsmittel zusammengefasst, welche aus meiner Erfahrung gute Ergebnisse gebracht haben..
- Timer bnutzen um Arbeitsphasen in überschaubare Zeitblöcke zu unterteilen. Dies hilft den Fokus zu bewahren und in der Spur zu bleiben.
- Beruhigende Musik hören kann die Fähigkeit zum konzentrierten Arbeiten wesentlich erhöhen und dabei helfen die Produktivität aufrechtzuerhalten.
- Skills und Fidget Spielzeuge sind unentbehrlich, da sie einen Teil der Hochspannung abbauen und den Aufmerksamkeitsüberschuß bündeln um die restliche AUfmerksamkeit dahin zu lenken, wo sie hingehört.
- Äußere Stimuli reduzieren hilft den Schülern dabei konzentriert zu bleiben, da ihr Gehirn nicht so hart arbeiten muss um unnötige Ablenkung filtern zu müssen.
- Mit Pflanzen dekorieren und Schülern “Grünzeit” zu geben kann die ADHS Szmptome merkbar lindern.
Lasst mich in den Kommentaren wissen, ob ihr noch andere Tipps habt, welche ihr mir gerne mitteilen möchtet.